Zentralbanken legen Zinsen beinahe ausschließlich auf Grund der Entwicklung der Inflationsrate fest. Immobilienpreise sind allerdings kaum bis gar nicht in der Inflationsrate abgebildet, was dazu führt, dass diese nicht auf einen boomenden Immobilienmarkt reagiert. Zentralbanken müssen deshalb ohne ein geldpolitisches Instrument auskommen, dass es ihnen erlauben würde, vorbeugend auf solche Entwicklungen zu reagieren. Ihre Rolle ist darauf beschränkt, das Durcheinander nach dem Platzen einer Blase aufzuräumen.
Ein Forschungsteam bietet für dieses Problem neue Lösungsansätze an. Univ.-Prof. PhD Robert Hill und Mag. Miriam Steurer, MA PhD, beide vom Institut für Volkswirtschaftslehre der Karl-Franzens-Universität, sowie Dr. Sofie R. Waltl, die an der Uni Graz dissertierte und jetzt am Luxembourg Institute of Socio-Economic Research tätig ist, entwickelten eine neue Methode, um Immobilienpreise in der Inflationsrate akkurat abzubilden. „Das würde dazu führen, dass Zentralbanken automatisch bis zu einem gewissen Grad auf boomende Preise reagierten und könnte dazu beitragen das unkontrollierte Platzen einer Immobilienblase zu vermeiden – wie etwa jener vor gut zehn Jahren in den USA, welche die Globale Finanzkrise mitausgelöst hat“, erklärt Robert Hill.
Dieses Problem ist ganz allgemein gesprochen besonders für die EU relevant, da hier Immobilienpreise derzeit in der Inflationsrate gänzlich ignoriert werden. „Das ist auch der Grund, warum in den vergangenen Jahren in einigen Mitgliedsstaaten gleichzeitig niedrige Inflationsraten und stark steigende Immobilienpreise zu beobachten waren. Diese Länder, zu denen auch Luxemburg zählt, können sich in dieser Hinsicht also nicht auf geldpolitische Hilfe von Seiten der EZB verlassen“, schildert Sofie Waltl.
In dem kürzlich publizierten LISER Arbeitspapier „Owner Occupied Housing in the CPI and Its Impact On Monetary Policy During Housing Booms and Busts“ diskutieren Hill, Steurer und Waltl weitere Konsequenzen des Ignorierens von Immobilienpreisen in der Inflationsrate und stellen Lösungen bereit. „In der wissenschaftlichen Literatur gibt es vier verschiedene Hauptansätze dafür, wie man Immobilienpreise für Wohnungseigentum in die Inflationsrate einbeziehen kann. Eine endgültige Lösung wurde bislang nicht gefunden, obwohl aufgrund stark steigender Immobilienpreise das Thema in einigen EU-Staaten dringlicher ist als je zuvor“, umreißt Miriam Steurer die Problematik.
Die AutorInnen des Forschungspapiers argumentieren, dass die großen Unterschiede in Bezug auf den Eigentumsanteil bei Immobilien zwischen den einzelnen EU Ländern, zusammen einigen anderen Faktoren, dazu geführt haben, dass man sich in den letzten zehn Jahren auf eine sub-optimale Methode, nämlich die Akquisitionsmethode, konzentriert hat. Sie empfehlen stattdessen eine Version der sogenannten user-cost“-Methode zu implementieren. Diese bildet die Kosten, die das Wohnen im Eigenheim mit sich bringen, sehr genau ab. „Diese user-cost-Methode wurde bisher von den meisten Ländern kaum genutzt, weil Verwirrung darüber bestand, wie Kapitalgewinne aus Immobilien zu behandeln wären“, fassen die ForscherInnen zusammen und weisen gleichzeitig auf einen einfachen Weg hin, wie Kapitalgewinne aus Immobilien in die user-cost-Methode miteinbezogen werden können. Sie zeigen in ihrer Arbeit auch, dass diese adaptierte Version ein Inflationsmaß generiert, das viel besser auf Bewegungen am Immobilienmarkt reagiert.
„Durch die Einführung dieser Variante der user-cost-Methode zur Messung der Immobilienpreisentwicklung von eigengenutztem Wohnraum könnte der Blasenentwicklung im Immobilienmarkt schneller begegnet werden“, sind sich die WissenschafterInnen sicher. Das würde in der Folge auch das Risiko künftiger Finanzkrisen in der Europäischen Union verringern.