Multinationale Unternehmen mit Hauptsitz in Österreich haben häufig Tochterfirmen im südosteuropäischen Raum. Vor allem in Schwellenländern, die von einer instabilen wirtschaftlichen und politischen Situation geprägt sind, sehen sich die Unternehmen mit besonderen Herausforderungen konfrontiert. Dr. Almina Bešić untersucht in ihrer Dissertation an der Karl-Franzens-Universität Graz, inwieweit österreichische Unternehmen ihre Personal-Strategien auch in Kroatien und Bosnien umsetzen können und wo sie Spielräume offen lassen. In ihrer Arbeit, die in einen der Forschungsschwerpunkte des Instituts für Personalpolitik eingebettet ist und von Univ.-Prof. Dr. Renate Ortlieb betreut wurde, zeigt Bešić auf, welche Maßnahmen es ermöglichen, Grundsätze des Mutterkonzerns erfolgreich in den Tochterfirmen zu verwirklichen.
Grundsätzlich sind multinationale Unternehmen bestrebt, grenzüberschreitend auf Basis derselben Werte zu agieren und gleiche Strategien anzuwenden. Doch vor allem in Transformationsländern ist dieses Ideal häufig nicht eins zu eins umsetzbar. Das bestätigen die Forschungen von Almina Bešić, die in ihrer Dissertation untersucht, ob beziehungsweise wie acht große österreichische Betriebe ihre Strategien zur Personalauswahl, -entwicklung und -beurteilung in kroatische und bosnische Tochtergesellschaften transferieren können und welche institutionellen, politischen, rechtlichen sowie kulturellen Faktoren dabei zu berücksichtigen sind.
Grob lassen sich in Bešić‘ Studie drei verschiedene Vorgehensweisen unterscheiden: In einigen Konzernen findet gar kein Transfer von Personalstrategien statt. Andere beschränken sich auf Maßnahmen, die relativ einfach zu übertragen sind, wie etwa die Einführung eines Systems zur Online-Bewerbung. „Nur zwei der von mir befragten Unternehmen bilden im Rahmen von Trainee-Programmen zukünftige ManagerInnen mit kroatischen und bosnischen Wurzeln in Österreich aus. Diese verpflichten sich, anschließend eine bestimmte Zeit im Tochterbetrieb zu arbeiten“, berichtet die Jungforscherin. Auf diese Weise sei es am besten möglich, den Herausforderungen in den jeweiligen Ländern zu begegnen und eine gewisse Kontrolle auszuüben, denn die ehemaligen Trainees kennen die Verhältnisse vor Ort, sind aber auch mit den Werten und Anliegen des Mutterkonzerns vertraut.
„Generell fällt in Kroatien die Anpassung an österreichische Vorgaben leichter als in Bosnien“, weiß Bešić. „Die Unternehmen führen das darauf zurück, dass sie in Kroatien bereits seit längerer Zeit Betriebe haben und dort auch die kulturellen Unterschiede zu Österreich kleiner sind.“ In Bosnien kommen ethnische Spannungen erschwerend hinzu. Deshalb fungieren in fast allen Firmen, die Bešić für ihre Fallstudien herangezogen hat, die kroatischen Tochterfirmen als regionale Zentren, die für die bosnischen Betriebe Ansprechpartner sind. Dort werden dann zum Beispiel Evaluierungen im Personalbereich durchgeführt, die sich von Österreich aus viel komplizierter gestalten würden.
„Die Nutzung von VermittlerInnen, sei es durch MitarbeiterInnen mit Migrationshintergrund oder die Übertragung von Verantwortlichkeiten in Unternehmen der Region, erlaubt es, den Gegebenheiten vor Ort bestmöglich zu begegnen und gleichzeitig die Werte und Strategien des Mutterkonzerns in die Tochtergesellschaften zu transferieren“, fasst die Doktorandin eine zentrale Erkenntnis ihrer Studie zusammen.
Die Forschungen von Almina Bešić, die derzeit bei der EU in Brüssel tätig ist, wurden durch ein Stipendium der ERSTE Stiftung im Rahmen der Fellowships for Social Research sowie durch ein Rudi-Roth-Stipendium gefördert und sind im gesamtuniversitären Schwerpunkt Südosteuropa der Uni Graz verankert.