Zu den Zusammenhängen von populärer Musik und Populismus in Österreich
Dieser Vortrag widmet sich grundlegend der Frage, inwiefern populäre Musik politische Bedeutung er-langen und vermitteln kann. Dafür rekurriert er auf Ergebnisse aus dem österreichischen Teil des inter-nationalen Forschungsprojekts „Popular Music and the Rise of Populism in Europe“ (2019–2022, VW Stiftung 94 754). In dessen Rahmen wurden Ethnografien bei politischen Wahlkampfveranstaltungen, aber auch Konzerten und Volksfesten sowie Analysen derjenigen Songs durchgeführt, die an diesen Orten eine Rolle spielten. Interessanterweise zeigt sich bei den Wahlkampfveranstaltungen, dass dort eine als unpolitisch geltende ‚Stimmungsmusik‘ gespielt wird. Zugleich, so das grundlegende Argument, macht diese Musik aber situative Verständnisangebote (affordances), die Ideen von Nativismus und Nation per-formativ verkörpern lassen und somit populistischen Akteuren in einer „assemblierten Politizität“ (Do-ehring/Ginkel 2022) zuträglich sein können.
Im zweiten Teil des Vortrags werden diese theoretischen Überlegungen und empirischen Beobachtungen am Beispiel der Musik der tirolerischen Sängerin Hannah diskutiert, die eine Mischung aus Schlager und Stadionrock darstellt. Durch kritische Reflexion der performativen Persona der Sängerin, des begleiten-den Musikarrangements (personic environment) und der nationalchauvinistischen Tropen ihrer Musik wird diskutiert, wie in diesen Assemblagen aus Klang, menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren performativ ein geschlechtlich segregiertes und nationalisiertes Publikum als ‚Volkskörper‘ hervorge-bracht wird. Derartige musiksoziologische Forschung kann, so die schließende These, zum Verständnis beitragen, wie politische Themen von extremen Rändern in die Mitte der Gesellschaft getragen und nor-malisiert werden.
Zum Vortragenden
André Doehring ist Professor für Jazz- und Popularmusikforschung am von ihm geleiteten gleichnamigen Institut an der Kunstuniversität Graz. Seine Forschung und Publikationen behandeln musikanalytische, sozialgeschichtliche, kulturelle, politische und mediale Aspekte von Jazz und populärer Musik; im For-schungsprojekt „Popular Music and the Rise of Populism in Europe“ (2019–2022, VW Stiftung 94 754) war er Mitantragssteller und Leiter des österreichischen Projektteils. Er hat von 2017-2025 die Gesell-schaft für Popularmusikforschung (GFPM) als Vorstand geleitet und ist Mitherausgeber von Jazzfor-schung/Jazz Research und Beiträge zur Jazzforschung/Studies in Jazz Research. Gegenwärtig forscht er über die Vermittlung von Jazz und populärer Musik in österreichischen Schulen und legt mit Kolleg*in-nen und Studierenden im „Archive Pleasure Social Club“ monatlich Jazzplatten aus dem Institutsarchiv im Grazer Café Wolf auf.