Institut für Soziologie
Dr. Karin Scaria Braunstein
BSc BA MA
DOKTORAT
Institut für Soziologie
Betreuerin:
Univ.-Prof. Dr.
Katharina Scherke
Kollektives Gestalten - Eine Untersuchung von Gestaltungsprozessen mit politischen Agenden im Off-Theater
Die einst potente Beziehung der Soziologie zum Theater hat an Strahlkraft eingebüßt. Klassische soziologische Untersuchungen betrachten die Bühne als Schauplatz sozialer Interaktion mit dem Ziel, gewonnene Einsichten in einen breiteren gesellschaftlichen Rahmen zu transferieren. Metaphern des Theaters sind längst in der Alltagssprache verankert. Den Praktiken theatraler Arbeit wurde, auch in den Anfängen der Soziologie, erstaunlich wenig Beachtung geschenkt. Heute zeichnet sich ein erhöhtes Interesse an kollektiven Arbeitsformen ab. Fachleute und Forschende verschiedener Branchen setzen sich mit gemeinschaftlichen Prozessen auseinander, die nicht nur die Organisation betreffen, sondern auch jene der Kreativitätsentwicklung. Diese Arbeit führt die Soziologie wieder ans Theater. Hierbei wird der Probenraum als ein soziologisch fruchtbares, allerdings bislang geringgeschätztes Untersuchungsfeld ins Zentrum gerückt. Mittels Beobachtungen dreier Off-Theaterprojekte strebt die Arbeit danach, die Mechanismen kollektiven Gestaltens freizulegen und daraus eine formale Beschreibung zu generieren. Auf Basis von zwei Gestaltungstypen – mit und ohne Leitung - entsteht ein neues Begriffskonzept, das kollektive und individuelle Verhältnisse auf unterschiedlichen Ebenen nuanciert berücksichtigt. Ein umfangreiches Faktoren-Modell kartiert die Etappen dieses kollektiven Prozesses und thematisiert unterschiedliche Aspekte, von der Dynamik des Raumes über die Konstellation der Mitwirkenden bis zur gemeinschaftlichen Verständigung. Georg Simmels Früh- und Spätwerke spannen einen theoretischen Rahmen, der mittels theoretical bridging angereichert wird. Durch diesen Ansatz eröffnet sich eine neue Perspektive auf die sozialwissenschaftliche Relevanz des Theaters, welche weitreichende Implikationen für das Verständnis kollektiver Gestaltungsprozesse besitzt. Die Ergebnisse unterstreichen die Aussagekraft des Probenprozesses als Kollektiv-Kosmos und schlagen eine Brücke zur Übertragbarkeit auf kollektive Arbeitsprozesse außerhalb des Theaters.