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Verdrängte Verbrechen

Mittwoch, 16.01.2013, uni.on > Universität, Universität, uni.on > Top News, Forschen, Sozial & Wirtschaftswissenschaften

Ein neues Buch bringt die Geschichte des NS-Lagers Graz-Liebenau ans Licht

Jahrzehntelang lag es „vergessen“ unter einem Mantel des Schweigens, die Historikerin Doz. Dr. Barbara Stelzl-Marx hat es ans Licht der Erinnerung gebracht: das NS-Lager Graz-Liebenau. 1940 war es für umgesiedelte Volksdeutsche errichtet worden. Später diente es der Unterbringung von ZwangsarbeiterInnen und Kriegsgefangenen und gegen Ende des Zweiten Weltkriegs auch als Zwischenstation für ungarische Juden und Jüdinnen auf ihrem Todesmarsch in Richtung KZ Mauthausen. Für manche wurde es zur Endstation. Am 16. Jänner 2013 präsentierte die Autorin ihr neues Buch „Das Lager Graz-Liebenau in der NS-Zeit“ am Institut für Wirtschafts-, Sozial- und Unternehmensgeschichte der Uni Graz vor einem interessierten Publikum, MedienvertreterInnen und KollegInnen.

 

Die Juden und Jüdinnen aus Ungarn waren völlig geschwächt, als sie im April 1945 im Lager Graz-Liebenau ankamen. „Dennoch mussten sie auf Befehl von Lagerleiter Nikolaus Pichler im Freien nächtigen und erhielten kaum Verpflegung. Eine medizinische Versorgung wurde ihnen verwehrt“, berichtet Barbara Stelzl-Marx. „Mindestens 35 Juden und Jüdinnen wurden hier erschossen und in Massengräbern verscharrt“, gibt die Autorin Einblick in den „Holocaust vor der eigenen Haustür“, wie es der Historiker Stefan Karner bei der Buchpräsentation formulierte.

 

Für diese Schweine haben wir keine Medikamente!“ Nikolaus Pichler, Leiter des Lagers Graz-Liebenau

 

Im Mai 1947 hatte die britische Besatzungsmacht Exhumierungen auf dem ehemaligen Lagerareal durchgeführt und noch im selben Jahr das NS-Verbrechen durch ein Militärgericht untersucht. Lagerleiter Nikolaus Pichler und sein Untergebener Alois Frühwirt wurden zum Tode verurteilt und hingerichtet. Bald darauf wurde es jedoch still um diesen Ort des Schreckens und das Verdrängte geriet über die Jahre in Vergessenheit.

Als der geplante Bau des Murkraftwerks in Graz-Puntigam GegnerInnen auf den Plan rief, rückte damit auch die dunkle Vergangenheit des für die Staustufe vorgesehenen Geländes wieder ins Interesse der Öffentlichkeit. In der Folge beauftragten die Stadt Graz und die "Energie Graz" Barbara Stelzl-Marx, die Geschichte des Lagers Graz-Liebenau erstmals aufzuarbeiten.

 

Bei ihren akribischen Recherchen, die die Historikerin im Rahmen ihrer Tätigkeit am Ludwig-Boltzmann-Institut für Kriegsfolgenforschung in Graz durchführte, stützte sie sich auf internationale Archivdokumente – unter anderem aus Großbritannien – sowie auf zeitgenössische Medienberichte. Das Ergebnis ist ein aufrüttelndes Buch, das wissenschaftlich fundierte Fakten mit Aussagen von ZeitzeugInnen verknüpft und damit sowohl die Greuel der TäterInnen als auch das Leid der Opfer in einem der größten Grazer Lager der NS-Zeit vor dem Vergessen bewahrt.

 

Barbara Stelzl-Marx: Das Lager Graz-Liebenau in der NS-Zeit. Zwangsarbeiter – Todesmärsche – Nachkriegsjustiz, Leykam 2012

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